Zusammenfassung

Einzelne Komponenten des Erdsystems, wie beispielsweise Ökosysteme, groß-skalige Ozeanzirkulationen und Eisschilde sind durch den fortschreitenden Klimawandel stark veränderten Bedingungen ausgesetzt. Dabei besteht das Risiko, dass sich-selbst-verstärkende Dynamiken zwischen verschiedenen Erdsystemelementen ausgelöst werden, welche eine irreversible und rasche Änderung des Systemzustands zur Folge haben können. Diese Kippdynamiken wären auch bei einer Stabilisierung oder Verringerung der globalen Temperatur nicht direkt umkehrbar.

Kippelemente im Klimasystem

Komponenten des Erdsystems, bei denen kritische Schwellenwerte bezüglich ihrer Stabilität, sogenannte Kipppunkte, identifiziert wurden, werden als Kippelemente bezeichnet.

So kann beispielsweise der Amazonas-Regenwald, ein weltweit einzigartiges Ökosystem, in einen waldlosen Zustand übergehen, wenn Entwaldung und Klimaveränderungen bestimmte Kipppunkte überschreiten. Große Strömungsmuster in den Ozeanen können ihren Antrieb verlieren, mit Konsequenzen für Wettermuster und Klimabedingungen weltweit.

Das Kippen einzelner Elemente des Erdsystems würde global mit erheblichen Folgen für Gesellschaften und Ökosysteme einhergehen. Unter Berücksichtigung eines unmittelbaren Risikos eines Überschreitens von Kipppunkten durch schon relativ geringe weitere globale Erwärmung zum einen und besonders schwerwiegender Folgen zum anderen, lassen sich Hochrisiko-Kippelemente identifizieren. Diese ergeben sich als der Grönländische Eisschild, der Westantarktische Eisschild, der Amazonas-Regenwald, die Ozeanische Zirkulation im Nordatlantik und die Korallenriffe.

Das Risiko von kaskadischen Kippdynamiken

Die Komponenten des Erdsystems sind durch konstante Wechselwirkungen und Prozesse wie beispielsweise Wärme- und Stoffaustausch eng verbunden und voneinander abhängig. So kann das Kippen eines Elements die Kippdynamiken anderer Elemente befördern oder auslösen. Das Konzept der Kippkaskaden illustriert die starke Vernetzung des Erdsystems und das Potential oft unvorhergesehener klimatischer und ökologischer Konsequenzen.

Unter der Annahme starker Wechselwirkungen zwischen den Kippelementen könnten Kippdynamiken für einzelne Elemente bereits bei deutlich niedrigeren Erwärmungsniveaus ausgelöst werden.

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Klima- und sicherheitspolitische Implikationen

Angesichts der Risiken, die durch Kippelemente und kaskadische Kippdynamiken im Klimasystem entstehen, ist politisches Handeln dringend erforderlich. Insbesondere die Notwendigkeit, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, wie im Übereinkommen von Paris als Ziel formuliert, wird durch neue Erkenntnisse über die Risiken von Kippelementen zusätzlich untermauert.

Aktuelle Bemühungen zum Klimaschutz sind für das Vermeiden eines Überschreitens von Kipppunkten unzureichend. Verzögertes Handeln erhöht das Risiko einer starken Erwärmungsantwort des Erd-Klimasystems und das Überschreiten verschiedener Kipppunkte erheblich.

Um die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen und Kipprisiken zu minimieren, sind vielfältige Maßnahmen erforderlich. Diese schließen den unvermeidlichen Einsatz atmosphärischer CO2-Entnahme ein, welche allerdings mit Bedenken hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Nachhaltigkeit einhergeht.

Das mögliche Überschreiten von Kipppunkten birgt Risiken für die Anpassung an Klimafolgen. Schon bei der aktuellen globalen Erwärmung sind manche Grenzen der Anpassungsfähigkeit für Mensch und Ökosysteme bereits erreicht, die durch das Auslösen von Kippdynamiken weiter belastet würden.

Die mitunter drastischen Folgen von Kippdynamiken könnten regionale Konflikte und Krisen fördern, wie die Eskalation von Ressourcenkonflikten durch den Verlust von Gletschern und Veränderungen des indischen Monsunregimes.

Als weiteres Beispiel würde ein erheblicher Verlust von Ökosystemen wie dem Amazonas-Regenwald und tropischen Korallenriffen eine erhebliche Biodiversitätskatastrophe darstellen und hunderte Millionen Menschen weltweit durch den Verlust von Ökosystemdienstleistungen betreffen. Der Kollaps der Atlantischen Umwälzzirkulation bei 4°C Erwärmung hätte schwerwiegende Auswirkungen auf das Klima in Nordamerika, Europa und Westasien sowie drastische Folgen für die weltweite Ernährungssicherheit. Ein Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern als Folge des Überschreitens von Eisschildkipppunkten würde globale Küstenlinien grundlegend verändern und gravierende Konsequenzen für Küstengebiete und die Bewohnbarkeit haben.

Das Überschreiten von Kipppunkten könnte auch sicherheitspolitische Konsequenzen haben. Daher gilt es, diese Risiken neben internationalen Klimaforen wie der Klimarahmenkonvention auch in anderen Gremien innerhalb der Vereinten Nationen, anderen multilateralen Foren wie den G7, G20, aber auch beispielsweise sicherheitspolitischer Bündnisse zu adressieren.

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Factsheet: Kipppunkte und kaskadische Kippdynamiken im Klimasystem

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Factsheet: Tipping points and cascading tipping dynamics in the climate system

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