Braunkohle-Ausstieg und Klimaschutz in Deutschland: statement
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Deutschland hat sich mit -40% bis 2020 (Basisjahr: 1990) zu den stärksten Emissionsreduktionszielen weltweit verpflichtet. Dazu stellt es sich noch der Aufgabe, unbeschadet dieses Zieles schrittweise aus der Atomkraft auszusteigen. Auf dem G7-Gipfel im Juli in Elmau wurde unter Führung der deutschen Kanzlerin zur vollständigen Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis Ende des Jahrhunderts aufgerufen.
Diese vielfältigen Verpflichtungen und Ziele stellen die deutsche Regierung durchaus vor Herausforderungen, aber aufgrund von inzwischen zwei Jahrzehnten Erfahrung in internationaler Vorreiterrolle, seinen Klima-Gesetzen, Innovationen und Investitionen verfügt Deutschland über die Voraussetzungen, diesen Parcours zu bewältigen.
Als ein Schritt auf diesem Weg erschien der ursprüngliche Vorschlag angemessen, die Emissionen aus der Braunkohle – der umweltschädlichsten Form der Kohleproduktion und -verbrennung – um 22 Millionen Tonnen bis 2020 zu reduzieren: Dies wäre in Einklang mit dem 40%-Ziel gewesen. Die Nachricht aus Deutschland ist enttäuschend, dass eine andere Richtung eingeschlagen wird, bei der die Kostenbelastung dem Steuerzahler aufgeschultert wird, und bei der nur die Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Braunkohle-Reduktion, und dies zu höheren gesellschaftlichen Gesamtkosten, erreicht werden wird.
Der wichtigste Aspekt der Geschichte jedoch bezieht sich auf die Energieerzeuger, vor allem RWE und Vattenfall, und wie diese letztendlich aus Steuergeldern Zuwendungen für frühere Investitionen erhalten, bei denen sie darauf gesetzt hatten, dass trotz aller Signale und wissenschaftlicher Warnungen die dreckigste Form der Kohleproduktion weiter laufen könnte ad Infinitum. Es ging durch die ganze Presse, dass die RWE-Aktie nach der Entscheidung 5% Anstieg verbuchen konnte: Dies spiegelte die Erleichterung darüber wider, dass der Druck auf RWE´s Kapital, soweit es in Kohlekraftwerken gebunden ist, verringert wurde. Diese Deutung übersieht jedoch einen fundamentaleren Trend: Der Aktienwert von RWE scheint im Verlauf des letzten Jahres über 7 Milliarden Euro gesunken zu sein. Viele Beobachter sehen dies in Sorgen über die CO2-intensive Stromerzeugung begründet.
Im Finanzsektor bestehen grundsätzlich wachsende Befürchtungen über eine „CO2-Blase“, bei deren Platzen CO2-abhängige Vermögenswerte wie Kohlekraftwerke, die bei vielen Firmen Teil des Kapitalbestands sind, vorzeitig abgeschrieben werden müssen .
Keine Regierung der Welt wird imstande sein, systematisch Rettungsaktionen für Firmen vorzunehmen, die schlechte Wetten auf CO2-intensive Investitionen machen, wenn die Kohlepreise verfallen, und wenn sich der Markt gegen CO2-intensive Produkte dreht. Es steht keine Europäische Zentralbank bereit, wenn diese Blase platzt.
Wir hoffen, dass zwei Dinge aus dieser Situation entstehen können:
Zum einen, dass die gestrige Entscheidung der deutschen Regierung eine Ausnahme darstellt, und dass ihr angemessenere Preissignale folgen werden. Zum anderen, dass RWE, Vattenfall, und andere betroffene Unternehmen den Aufschub nutzen, der ihnen durch die gestrige Entscheidung gewährt wurde, und diese Chance zur Umstrukturierung ihrer Portfolien und Unternehmensstrategien ergreifen.
Es erscheint ironisch, dass diese Entscheidung just zu dem Zeitpunkt getroffen wurde, als Europa von einer weiteren extremen Hitzewelle mit Rekordtemperaturen betroffen ist . Wir wissen, dass die weltweit schon zu beobachtende Zunahme an extremen Hitze-Ereignissen mit einem Anstieg der Treibhausgasemissionen zusammenhängt, die größtenteils aus der Verfeuerung fossiler Brennstoffe stammen.
Die Auswirkungen der Verbrennung von Braunkohle in Deutschland sind dabei nicht „peanuts“. Um dies zu veranschaulichen: Physiker bei Climate Analytics schätzen, dass die jährliche Verbrennung von Braunkohle (175 Megatonnen CO2-Emissionen im Jahr 2013) soviel zur globalen Energiebilanz beitragen, dass es ausreicht, um etwa 347 Millionen Tonnen Eis pro Jahr zu schmelzen – dies entspricht einem durchschnittlichen Alpengletscher.
Vielleicht ist dies ein anregender Hinweis für all diejenigen unter uns, die derzeit zur Sommerfrische in die Kühle der Europäischen Berge aufbrechen, und damit den Hitzewellen entkommen, die die Niederungen Europas im Griff halten.
This statement is available in English here.
Climate Analytics gGmbH ist ein nicht-profitorientiertes wissenschaftsbasiertes Institut mit Hauptsitz in Berlin, sowie Büros und Mitarbeitern u.a. in Togo, Nepal, den Niederlanden und New York. Climate Analytics arbeitet zu allen Aspekten der Klimawissenschaften, sowohl zu Auswirkungen und Anpassung wie zu Vermeidung.